…Beschäftigung fürs Leben. Es heißt, das schwarze Hunde schwer vermittelbar sind, da sie einen gewissen Aberglauben hervorrufen, Ängste auslösen oder einfach unsichtbar sind. Ich fühle mich im Moment wie der schwarze Hund im Tierheim.

Hier der Ablauf der letzten Tage. Ein bisschen wirrer als sonst.

Meine Welt ist schwarz

Wer hier schon länger mitliest, dem wird diese Überschrift etwas sagen. Weiß ist gut, schwarz ist böse. Das ist jedoch keineswegs auf die Hunde bezogen, vor denen die Menschen Angst haben. Nein, vor mir hat keiner Angst. Zumindest hoffe ich das. Letzten Freitag ist meine Welt um kurz vor 23 Uhr schwarz geworden. Vergessen sind die guten Momente und die Erfolge. Vergessen sind die langen Gespräche.

Zurück zum Anfang

Es ist morgens, 07:00 Uhr, als ich aufstehe. Es ist warm, die Sonne scheint schon durch das Schlafzimmerfenster. Ich schaue auf die Uhr. 07:02 Uhr. Noch eineinhalb Stunden, bis ich da sein muss. Es ist Freitag, der 30.06.2023 und es ist Prüfungstag. Der Tag, mit dem ich meine Umschulung abschließe. „Wozu das alles?“ frage ich mich noch und starte in den Tag. Die ganze Zeit über bin ich gestresst. Nicht, weil ich Angst vor mündlichen Prüfungen habe, nein. Angst habe ich vor dem, was der Abend mit sich bringt. Das Abschlussessen meiner Klasse. Ein Restaurant, viele Menschen, gemeinsam essen und eine für mich furchtbare Geräuschkulisse.

Die Prüfung

Ich verließ das Haus um 07:45 Uhr, da ich noch einen Parkplatz suchen musste und auf keinen Fall zu spät kommen wollte. Um 08:00 Uhr saß ich im Auto auf einem Parkplatz und frage mich, warum ich das Haus so früh verlassen hatte. „Egal“ dachte ich mir und schnappte mir meinen Rucksack. Ich freute mich auf die Menschen, die ich sehen würde. Über die Prüfung machte ich mir keine Gedanken. Um 08:05 Uhr betrat ich das Gebäude, fuhr mit dem Fahrstuhl ins 3. OG und ging in den Essensraum. Ich setzte mich gemütlich auf einen Stuhl und holte meinen Megaminx raus. Diesen löste ich bis zur letzten Ebene. Danach schmiss ich ihn wieder in den Rucksack, nahm mir diesen und lief ins 2. OG.

Am Prüfungsort angekommen, werde ich direkt abgefangen. „Sie sind Frau Fink? Wollen Sie gleich mit rein?“….“Ähm, ja.“ Und los ging es. Ich setzte mich in den Prüfungsraum, bearbeitete meine bevorzugte Aufgabe und legte danach meine mündliche Prüfung ab. Bestanden mit 83 Punkten, was will ich mehr? Mir war von Anfang an klar, dass ich meine 2 bekomme, also machte ich mir keine weiteren Gedanken dazu. Viel wichtiger war mir, dass ich die Menschen um mich herum hatte, die mir die ganze Zeit so wichtig waren.

Schwarz auf weiß – Zeugnisausgabe

Nach der Prüfung fuhr ich nach Hause, um etwas zu essen. Ungefähr eine Stunde später musste ich wieder zurück, denn es war Zeugnisausgabe. Als ich ankam wurde ich gefragt, ob ich gerne Blumen und Schokolade als Dankeschön überreichen möchte. Ich bejahte dies. Als alle versammelt waren, wurden die ersten Geschenke verteilt. Als ich merkte, dass jeder etwas dazu sagte, wurde ich nervös. „Ich soll was sagen?“ Naja, ich machte es so, wie es mir spontan in den Sinn kam. „Frau … Ich bin kein Mensch von vielen Worten, deswegen einfach nur danke.“ Dass ich diesen Satz erst Tage zuvor auf Papier gebracht hatte, wurde mir erst im Nachhinein klar. Die Geschenke wurden zu Ende verteilt und im Anschluss saßen wir noch ein wenig an den Tischen und unterhielten uns. Keine besonders große Sache, für mich jedoch der Anfang vom Ende.

Der Abend

Später am Abend trafen wir uns alle gemeinsam im Restaurant, um unseren Abschluss zu feiern. Es ist viel Alkohol geflossen. Ich habe viele Gespräche geführt und viele interessante Menschen kennengelernt. Ich meine die, die ich davor schon kannte. Die Gespräche waren einfach offener und die Menschen haben sich von einer anderen Seite gezeigt. Was mir erst komisch vorkam, konnte ich im Endeffekt doch genießen. Der gemeinsame Abend dauerte ca. 4 Stunden und nach ca. 3 Stunden traf mich eine Erkenntnis ziemlich hart. Das war das erste Mal, dass ich Zeit mit einer Gruppe verbrachte, ohne groß über meine Probleme, die ich sonst in solchen Situationen habe, nachzudenken. Das war aber auch der Moment, in dem ich realisierte, dass es die letzten Monate so in Zukunft nicht mehr gibt. Bisher war es immer so, dass ich wusste, dass ich zurückgehe und Unterstützung bekomme, wenn ich nur etwas sage. Nun fehlen all diese Routinen und bekannten Gesichter und ich kann mir nicht einreden, dass ich „nur Urlaub“ habe. Damit würde ich mich selbst belügen.

Der Schatten

Während des Abends hatte ich ständig jemanden in meiner Nähe. Eine Person, die normalerweise auf Abstand bleibt, saß entweder links oder rechts von mir. Ich saß immer auf dem gleichen Platz. Einmal verließ ich diesen, um an die frische Luft zu gehen. Ein paar Minuten später war diese Person auch da. Kurios, was an diesem Abend alles geschehen ist. Es war sicher nur ein Zufall, aber das hat mich geprägt. Es fühlte sich an, als würde mir ein Schatten folgen.

Die Tage danach

Noch am selben Abend zerbrach ich. Zu Hause realisierte ich, dass es vorbei war. Ich war müde, ja, völlig erschöpft. Doch ich konnte nicht schlafen. Ich blieb eine gefühlte Ewigkeit wach. Am nächsten Tag wachte ich weinend auf und ich wusste genau, dass es zu spät war. Ich fiel in ein tiefes Loch. Ich fand die Maske nicht mehr, hinter der ich mich jeden Tag versteckte. Es war, als hätte ich sie am Freitagabend im Restaurant vergessen. Ich fühlte mich untröstlich und das hält bis heute an.

Montag

Noch immer innerlich weinend sitze ich beim Arbeitsamt und lese, dass ich zu den „schwer vermittelbaren“ gehöre. Warum? Aufgrund meiner Behinderung. Ja, da erfuhr ich, dass ich der schwarze Hund im Tierheim bin, den keiner haben will. Dem traut man nichts zu, der wird übersehen. Vor ihm hat man Angst.

Im Anschluss musste ich noch einmal zum Maßnahmenträger. Ich musste etwas abgeben. Ich fühlte mich so fremd und falsch. Nachdem ich fertig war, ging ich ins Treppenhaus und zerbrach erneut. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich weitergehen konnte.

Dienstag

Es geht nur schleppend voran. Heute erinnerte ich mich daran, dass es nach der Umschulung eine Nachbetreuung gibt. Ich meldete mich also bei meiner Psychologin und sie bot mir direkt einen Termin für nächsten Montag an. Wir werden sehen, was da kommt.

Bis dahin heißt es: Stark bleiben, Taschentücher bereitlegen und Finger weg vom Alkohol.

Musik an, ganz laut.

Von Steffi

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