Briefe sind in meinem Kopf das Thema Nummer 1. Drohbriefe. Entwürdigende, beleidigende Drohbriefe.

16.06.

Der erste Brief. Ich fand ihn unter meiner Tastatur. Ich war fassungslos und bin es noch.

Irgendjemand da draußen möchte mich sterben sehen. Irgendjemand hasst mich. Zuerst dachte ich, dass ich nur ein Ventil für eine komische Laune oder eine schlechte Note bin, aber nein, das ist nicht so.

Der Brief wurde der Klasse vorgelesen. Die Reaktionen waren gemischt.

13.09.

Brief Nummer 2.

Diesem Menschen muss es wirklich schlecht gehen. Wieder werde ich massiv bedroht und es heißt „Stirb langsam mit 30.“ Ich bin 30, ja. Muss ich jetzt Angst haben? Nein, so richtig will keine Angst aufkommen. Ich bin frustriert, genervt und kann mich kaum konzentrieren, aber ich empfinde keine richtige Angst.

22.10.

Brief Nummer 3. Es wird persönlich.

Ein paar Tage zuvor hatte ich ein psychologisches Gutachten in meinem Rucksack, das ich abgeben wollte. Ich bekam an diesem Tag eine Nachricht von einer Klassenkameradin, dass ich mein Zeug durchsuchen soll. Es war alles in Ordnung und es passierte nichts weiter.

Drei Tage später fand ich einen weiteren Brief, der darauf hinwies, dass mein Gutachten gelesen wurde. Ich hoffte, dass dem nicht so sei. Es wurde auch jemand anderes erwähnt und das machte mich traurig. Das tut es immer noch. Wenn jemand etwas gegen mich hat, warum wird dann noch jemand erwähnt? Fragen über Fragen und keine Antworten.

Ich hatte Angst davor, dass die Infos aus meinem Gutachten veröffentlicht werden. Warum? Ich weiß es nicht. Ich stehe zu dem, was darin steht. Ich bin nicht fehlerfrei.

Trotzdem verfiel ich in ein altes Verhaltensmuster. Ich wurde unfreundlich und verletzte mich selbst. Zuerst mit erhöhtem Nikotinkonsum, dann mit Alkohol und zum Schluss sah ich Blut. Ich mag diese Phasen nicht und zum Glück kommen sie nur noch sehr selten vor.

23.11.

Der vorerst letzte Brief. Bisher war ich nicht so geschockt, wie ich es jetzt bin. Ich fühle mich taub und orientierungslos. Ich fühle mich innerlich leer und doch gehe ich jeden Tag an den Ort zurück, an dem die Gefühle begannen. In diesem Brief wird mir eine Affäre mit jemandem unterstellt, den ich nicht mal mag und verschiedene sexuelle Andeutungen gemacht. Das Thema der Briefe ändert sich.

Gestern wurden die weiteren Briefe vor der Klasse angesprochen und damit komme ich gar nicht klar. Ich wurde so oft darauf angesprochen und mir gegenüber wurde sogar Misstrauen angedeutet, da ich mich nicht mehr den gleichen Personen anvertraute, wie beim ersten Brief. Ich schaffe es nicht, der Person, mit der mir eine Affäre unterstellt wird, in die Augen zu schauen. Ich schäme mich und dabei ist das Fremdschämen total blöd. Warum tun wir Menschen das? Ich fühle mich schrecklich, kann nicht mehr richtig zuhören und möchte immer nur flüchten. Ich weiß im Moment nicht mehr weiter. Keine Ahnung.

Von Steffi

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